Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Donnerstag, 16. September 2010

Fotosession unter den Augen Maos

Peking ist riesig. Das merkt man spaetestens dann, wenn man irgendwohin laufen moechte. Wobei das ganz interessant sein kann. Mein erster Weg am ersten richtigen Tag fuehrte mich in die Verbotene Stadt. Das heisst zuerst einmal die kleine Allee hinunter, vorbei an schlafenden Hunden, Bauarbeitern, Chinesen, die ihr Shirt bis kurz unter die Brust hochgekrempelt haben und sich die Plautze streicheln, weiter zur kleinen mobilen Fahrradwerkstadt mitten auf der Strasse, ueber die man drueber muss. Augen zu und durch. Die Sonne brennt auh schon 9 Uhr morgens, der Lautsprecher von Geschaeften plaerrt ebenfalls schon, von der chinesischen Schnulze bis - ich rate mal - Werbung is da alles bei.

Dann irgendwann komme ich an eine Kreuzung, die Strassen sind mittlerweile 5spurig oder mehr, riesige grade Dinger, auf denen hauptsaechlich schnieke Autos fahren, den Radlern gehoert ein Extrateil, der auch von den zahlreichen Elektromopeds benutzt wird, die man nie hoert, bevor sie einem in die Haxen fahren, weil mans selbst noch nicht verstanden hat, den Fussweg zu nutzen. Oder der is schlichtweg voll. Das ist Pekings Charakteristikum nach riesig: Voll. Je naeher ich dem Tianmen-Platz komme, desto offensichtlicher wird es.

Ich bin nicht ganz allein. In dem Sinne, dass da noch andere Menschen sind, nicht aber in dem Sinne, dass da gegen halb zehn sich schon ein paar Westler aus den Federn gequaelt haetten. Da bin ich allein. Und schon habe ich die erste Kamera vorm Gesicht. Ich weiche aus, denke, ich steh im Bild, versperre die Sicht auf Maos Riesenportrait am Tor des himmlischen Friedens. Falsch. Man will nicht Maos Riesenportrait, sondern meine fuer chinesische Verhaeltnisse wahrscheinlich riesenhafte Nase drauf haben, die blonden Haare, die hellen Augen, grosses Gekicher in der grossen chinesischen Gruppe um mich herum, da wedelt schon der naechste mit seiner Kamera, schubst seine Frau an meine Seite, sie hakt sich so schnell unter, das ein Entfliehen nicht mehr moeglich ist.




Mein Chinesisch beschraenkt sich an diesem ersten Tag nur auf Hallo und Danke, also mache ich alles mit, finde es - bis jetzt immer noch - unglaublich lustig, wenn ich merke, dass mich jemand heimlich mit auf dem Bild haben will, weil er die Leute, die er grad fotografiert, in meine Richtung lotst. Ein paar Tage spaeter schaffe ich es immerhin zu sagen, woher ich komme und dass ich ansonsten kaum was verstehe. Das wiederum laesst das Gekicher und unverstaendlicherweise auch die Mitteilungswut noch groesser werden.

Die Verbotene Stadt an sich - der Wahnsinn. Riesig. Ein Palast, eine Halle an der naechsten, Dimensionen, die den bayerischen Maerchenkoenig als laecherliche Witzfigur dastehen lassen mit seinem popeligen Neuschwanstein. Dieses Purpurrot der Mauern, das Blau und Tuerkis in den Balken, das Gold zwischendrin, 9999 Raeume soll es ingsesamt geben, wobei allerdings schon der Bereich zwischen 4 Saeulen mitgezaehlt wird, also bisschen schummeln tun sie schon. Sobald die Internetverbindung es zulaesst, werde ich auch Bilder hochladen...

Wer den Film "Der letzte Kaiser" kennt und dann in die Stadt geht, fuehlt sich wie zurueckversetzt in die Zeit damals, sieht foermlich die Wachen an den Hallen stehen, sieht den Kaiser durch die schnurgeraden, mit grossen Steinen gepflasterten und  von 3-Meter-Mauern eingefassten Gassen entlangwandeln, seine Konkubinen sich an den dunklen Holzschminktischen fuer ihn herausputzen, waehrend die Erste Dame im kaiserlichen Garten an einem kuenstlich aufgeschuetteten Steinberg im Schatten ineinander verschlungener Baeume den Grillen lauscht.




Zum Entpannen komme ich erst spaeter etwas, als ich den Huegel im Park hinter der Verbotenen Stadt erklimme. Vom sogenannten Kohlehuegel aus hat man einen gigantisch schoenen Blick auf die vor einem liegende Verbotene Stadt, auf ganz Peking, wenn es das Wetter und der Smog zulaesst. Dieses Glueck habe ich in den ersten Tagen. Ich sitze auf einem Baenkchen direkt am Tempel des Huegels, ein riesiger Buddha bewacht die Erhebung, die kuenstlich entstanden ist, als man den Graben rund um die Verbotene Stadt ausgehoben hatte und Platz fuer den Abraum suchte. Da auf dem, Huegel auch die Kohlevorraete gelagert wurden, bekam er gleich einen praktischen Namen. Auch hier oben sitze ich nicht lange allein, eine Chinesin rueckt von links, die andere,offenbar ihre Freundin, von rechts heran, bis sie sich fast anschmiegen, als dann ihr Freund vor uns steht mit der gezueckten Kamera :-) Ich vergelte mittlerweile gleiches mit gleichem und gebe meine Kamera gleich mit dazu :-)





Je spaeter der Tag in Peking, desto voller wird es, nun sind auch die rotgesichtigen, kaesigen Westler unterwegs, die immer noch meinen, ihre krampfadergeplagten Beine vom Umfang einer deutschen Eiche in Shorts pressen zu muessen. In solchen Momenten wuenschte ich, ich koennte so herzergreifend rotzen wir die Chinesen, einmal richtig alles von unten hochholen und so geraeuschvoll von mir geben, dass es des Kaisers Geist wiedererwecken wuerde.

Des Kaisers Landsleute probieren es allerdings selbst schon staendig und ueberall. Das beste Erlebnis kam denn auch am 2. Abend. Es war dunkel in der kleinen Gasse, ich taperte vollgefressen mit mir meist unbekannten schmackhaften Dingen gen Hostel, versunken in Gedanken, als ich dieses unheilvolle Geraeusch direkt vor mir linker Hand vernahm, sehen konte ich nichts, denn da stand ein Lieferwagen. Sekundenbruchteile spaeter und nur wenige Milimeter an meiner Nase sauste der Schleimbeutel vorbei, gefolgt von 2 kleinen Aufschreien meinerseits und des Verursachers, der sich wohl allein glaubte. Nicht, dass Chinesen nur allein rotzen, das waer ja angesichts der Massen unwahrscheinlich. Aber immerhin rotzen sie keinen mit Absicht an. Das weiss ich nun zumindest :-)

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