Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Dienstag, 1. April 2014

Im Reich der Riesen

Mittlerweile haben wir etwas Routine. Oskar bekommt von einem von uns seinen Frühstücksbrei (noch reichen die Vorräte aus Deutschland...), der andere schnippelt Gemüse für sein Mittagessen, das dann während unseres Frühstücks vor sich hin köchelt. Dann wird alles zusammengeräumt, je nach Übernachtungsplatz gespült oder nicht und auf geht's. Das Bett wird nicht mehr umgebaut und bleibt den ganzen Tag über Spielwiese, Wickeltisch, Ablage, was auch immer. So langsam bekommt auch jedes Ding seinen Platz und wir suchen nicht mehr ständig.

Unser nächstes Ziel liegt wieder weiter im Süden, die Kauri-Wälder. Riesige, dicke, uralte Bäume, aus denen die Maori früher ihre Kanus herstellten. Sensible Giganten, die keine fremden Sporen und Bakterien vertragen. Die Wurzeln haben, die vor Tritten geschützt werden müssen. Noch kommt uns das etwas komisch vor. Übertreiben die Kiwis da nicht ein bisschen? Wie auch immer, wir rollen wieder die Straße entlang, bis die einfach zu Ende ist. Vor uns ein See. Besser gesagt, ein Meeresarm, wir müssen übersetzen zum Hokianga Harbour. Vor uns zwei Wohnmobile, hinter uns auch, ein paar Deutsche, Oskar dazwischen, muss doch inspiziert werden, so ein großes Mobil hinter uns. Wenig später, nach der Fährüberfahrt, gucken wir nicht schlecht. Rechts von uns erheben sich hinter dem blauen Meeresarm riesige Sanddünen. Ein Stück Wüste. Wir nutzen die Mittagspause für einen Ausflug zu einem Aussichtspunkt und staunen über die Landschaft, einmal mehr. Steilküste vor uns, Dünen gegenüber. Ein seltsamer schwarz-blauer Vogel mit weißem Lätzchen, der lustige Geräusche macht. Ein Tui! Von knarrenden, quietschenden Türen bis hin zu schiefem Gesang kriegt er alles hin. Lustig!


der Tui

Wenig später wird die Straße wieder so, wie wir sie kennen: kurvig. Die Vegetation ändert sich von karg und trocken zu üppig grün. Und dann stehen wir da, am Parkplatz im Waipoua Forest. Gleich hier um die Ecke soll er stehen, Tane Mahuta, der Gott des Waldes. 52 Meter hoch, rund 4,4 Meter Stammdurchmesser (über 13 Meter Umfang!), etwa 2.000 Jahre alt und damit einer der ältesten und größten Bäume auf der Erde. Wir gehen auf Plankenwegen zu ihm, nicht allein, einige Touristen sind hier unterwegs, fast schon viele, eine indische Familie etwa, die sich sofort in Oskar verliebt hat und womöglich mehr Bilder von ihm als vom Baum hat. Egal. Plötzlich stehen wir vor ihm. Ein dicker, fetter Baum, einige Meter entfernt baut er sich auf, erst weit oben beginnen seine Zweige, hängen Gewächse zwischen seinen Ästen. Rumms. Da guckt man erstmal. Was für ein Ding. In seiner Umgebung stehen noch ein paar andere Kauris, deutlich dünner. Wir sind mal wieder - beeindruckt. Und wollen auch die anderen Riesen noch sehen. Viele sind es nicht mehr. Nicht nur des Holzes wegen wurden sie gefällt, auch ihr Harz war begehrt. Immerhin, mittlerweile dürfen sie nur noch zu rituellen Zwecken gefällt werden.

Tane Mahuta und wir

Te Matua Ngahere

Ein paar Kilometer weiter steht der dickste Kauri. Te Matua Ngahere, der Vater des Waldes. Die Four Sisters, vier Kauris aus einem Wurzelstamm. Wir staunen und staunen und staunen und sind froh, unsere Schuhe am Eingang des Waldes noch einmal gereinigt und desinfiziert zu haben. Diese Bäume sollen leben! Sie strahlen eine Ruhe aus, unglaublich. Keine Frage, dass wir auch in ihrer Nähe übernachten wollen. Im benachbarten Trounson Forest gibt es einen DOC-Platz, direkt am Beginn eines Rundwanderwegs durch den Wald, in dem es nicht nur Kauris, sondern auch Kiwis gibt. Also die Vögel, nicht die Frucht. Wir quartieren uns ein, und während Haimon das Abendessen vorbereitet, schnappe ich mir Oskar und laufe los. Wir begegnen einem toten Kauri, der quer über einem Weg liegt, schon seit Jahren, wie wir aus einem Lautsprecher erfahren, aus dem auf Knopfdruck erstmal ein Windgeräusch erklingt und dann die Erklärung, warum der Baum umgefallen ist. In einem großen Sturm. Nun ist er Heimat unzähliger Insekten und Glühwürmchen. Zum Anfassen nah säumen die Riesen den Pfad, sogar Oskar guckt und ist ruhig, betastet vorsichtig die Rinde, lauscht dem Erzähler aus einem anderen Lautsprecher ("I am a Kauri tree. I've been here for more than a thousand years..."). Wir folgen einem kleinen Bachlauf, irgendwann windet und dreht sich der Weg, Gott sei Dank, diesmal ist es tatsächlich ein Rundweg. Nach einer Dreiviertelstunde sind wir zurück. Ich schicke Haimon los, er muss sich das auch ansehen. Ich beobachte derweil Fan Tails, meisenähnliche Vögel, die ein Rad schlagen können mit den Schwanzfedern. Und Maori-Tauben, die träge im Gebüsch an Früchten knabbern. Sand Flies gibt es keine, hurra.

Spannend wird es im Forest aber auch, wenn es dunkel ist. Infotafeln kündigen es an - hier kann man Kiwis sehen. Nur bitte nicht direkt anleuchten, am besten nur mit einer roten Lampe mit wenig Licht in den Wald gehen. Haben wir nicht, also tasten wir uns erstmal so voran, als es stockduster ist, bedecken wir unsere Stirnlampe etwas. Oskar schläft derweil allein im Camper. Wird schon nix passieren, hoffen wir und schleichen weiter. Plötzlich - ein Rascheln, ein Suchen, ein Rascheln. Und komische Laute. Kiwis! Es war schwer, nicht loszuleuchten. Nicht einfach draufzuhalten auf die Federbällchen im Wald. Andere, die kurz nach uns an dieser einen Stelle vorbeikamen, haben es dennoch getan und zwei Kiwis erblickt. Wir haben sie immerhin gehört, auch ihren Ruf, wie wir später feststellen, als wir den Plüschkiwi drücken, den wir Oskar schenken. Er quietscht genauso wie der Vogel im Wald. Auch bei einem Alleingang wenig später entdecke ich keinen. Was soll's. Dafür haben uns Australier endlich mal gezeigt, wo sich das Kreuz des Südens befindet. Es erscheint recht spät, daher hatten wir es bisher noch nicht recht gesehen. Nun erstrahlt es über den Feldern am Wald. Und wir sind - klar! - beeindruckt.

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