Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Donnerstag, 29. Mai 2014

Hoch hinauf!

An diesem Morgen muss ich noch nicht einmal die Gardine zur Seite ziehen, um zu sehen, wie das Wetter ist. An diesem Morgen ist es im Camper schon so hell, als ob jemand abends vergessen hätte, das Licht auszuknipsen. Sonne! Ja, Sonne!!! Ganz aufgeregt springe ich aus dem Camper, laufe um ihn rum, um einen Blick auf die Berge zu werfen. Und da sind sie, schöner noch als am Abend, da ist er, der Gletscher, lächerlich, was man nur sieht, wenn man direkt davor steht, von hier, von Weitem, da sieht man erst die gigantische Länge. Wir frühstücken nicht lange, wir müssen los. Der Helikopter wartet!



Im Büro der Fluggesellschaft wird uns mehrmals gesagt, dass wir uns warm anziehen sollen, schließlich geht es hoch hinauf in den Schnee. Oskar wird eingepackt wie zuhause im Winter, und auch wir ziehen vorsichtshalber eine Schicht mehr an. Und schwitzen schon, bevor wir überhaupt zum Flugplatz gefahren werden. Mit von der Partie ist ein älteres, holländisches Pärchen. Wir bekommen unsere Kopfhörer in die Hand gedrückt, auch Oskar muss die aufsetzen. Dann landet auch schon unser Heli, die Passagiere steigen aus. Und eine von ihnen muss gestützt werden, sieht gar nicht gut aus. Das will man natürlich nicht sehen. Aber das war unsere Rettung. Zu warm, viel zu warm sei es ihr gewesen, wird uns erzählt, das hat der Kreislauf nicht mitgemacht. Im T-Shirt steht derweil der Pilot da und wartet auf uns. Hä? Also nicht kalt? Wir ziehen schnell unsere zusätzliche Schicht wieder aus. Oskar lassen wir aber so. Armer kleiner Mann. Aber das sehen wir erst später. Erstmal haben wir damit zu tun, unsere Plätze einzunehmen. Ich muss in die undankbare Mitte neben der Holländerin und Haimon mit Oskar auf dem Schoß. Der Holländer darf vorn sitzen. Nichtsdestotrotz sieht man aber auch in der Mitte gut, der Heli ist fast voll verglast. Wir nesteln noch rum, an Oskar, seinen Keksen, die er seelenruhig knabbert, als wäre der Hubschrauber schon immer sein Zuhause, seinem Wasser, unserer Kamera und verpassen völlig den Start. Nix Bauchkribbeln, nix Schaukeln. Federleicht schweben wir dahin, die Wiese wird kleiner, die Häuser nehmen Speilzeugausmaße an, während die Hänge bedrohlich näher kommen, die Felsen zum Greifen nah sind. Und sich vor uns eine Landschaft öffnet, die ihres Gleichen sucht...

Hallohallohallo?!

Auf geht's!




Wir schweben über den abertausenden Seracs, Gletscherspalten, blütenweißen Schneefeldern. Bläulich schwimmerndem Eis. Immer höher werden die Gipfel um uns herum. Eis, Fels, Schnee.Wir halten direkt auf ihn zu, direkt vor uns erhebt sie sich, die Westflanke des Mount Tasman, unweit die des Mount Cook. Wir haben längst die 3.000er Marke überschritten. Fast können wir die Gipfel berühren, dann drehen wir ab. Oskar scheint alles immer weniger zu interessieren. Ziemlich teilnahmslos mümmelt er an Keksresten. Es ist seine Vormittagsschlafzeit. Oder es ist ihm zu warm im stickigen Heli. Zu dünn die Höhenluft. Denn er blinzelt ganz komisch, dass uns ganz anders wird. Plötzlich ist die Eiswelt da draußen völlig uninteressant. Wir tätscheln ihn, nein, nicht einschlafen, hörst Du, hey, was ist los, Ooooskar. Er guckt, bewegt die Lider in Zeitlupe, guckt wieder weg. Der Pilot schaltet blitzartig und dreht die Frischluftdüse auf. Und wir atmen durch. Recht schnell sieht unser kleiner Mann wieder besser aus. Und wird gleich das erste Mal Schnee anfassen.



Mount Cook

Mount Tasman





So federleicht, wie wir gestartet sind, landen wir auch. Auf reinstem Weiß, das gar nichts mehr mit dem Schutt zu tun hat, der weiter unten den Fox Gletscher bedeckt. Wie Kinder bewerfen sich die Holländer mit Schneebällen, gar nicht so leicht zu formen aus diesem harten Schnee. Dass während der zehn Minuten, die wir hier oben verbringen, die Rotorblätter aus Sicherheitsgründen weiterlaufen und lärmen, stört nicht. Zu abgefahren ist das alles, trotz, dass hier ständig Hubschrauber stehen, wirkt die Landschaft seltsam unberührt, so, als wären wir die Ersten. Neben uns landet ein anderer Heli. Die Leute sind ebenso verzückt wie wir. Nur einer weiß nicht so recht, was er von allem halten soll. Oskar sitzt unwirsch im Schnee, stochert ein bisschen mit dem Finger rum und muss die Augen arg zusammenkneifen, ihm passt ja leider seine Sonnenbrille gar nicht. Lieber wieder auf Papas Arm, da fühlt er sich grad sicherer als unten auf dem komischen Weiß, dass auch noch kalt ist und später nass wird...


Familie mit Mount Tasman



Der Rückflug geht nah vorbei am Wanderweg, den wir tags zuvor gelaufen sind. Hier wird einmal mehr ersichtlich, wie wenig die Wanderer nur sehen vom Gletscher. Schade. Wir jedenfalls sind heilfroh, geflogen zu sein. Und würden es jederzeit wieder machen. Diesmal aber alle, auch Oskar, nur im T-Shirt!

Da, wo auf diesem Bild der Gletscher endet, dort endet für Wanderer auch der Weg...


Wieder festen Boden unter den Füßen, schlendern wir am Mirror Lake entlang, indem sich die Gipfel spiegeln sollen. Zu viel Wind kräuselt die Oberfläche, und außerdem ziehen Wolken auf. Wir grinsen nur. Und setzen uns ins Café. Hier treffen wir einen Deutschen wieder, den wir oben am Farewell Spit kennen gelernt hatten. Er will in allen Nationalparks wandern und außerdem den höchsten kommerziellen Fallschirmsprung der Welt wagen, mit Sauerstoff aus 6.000 Meter Höhe. Heute ist sein Tag. Wir drücken ihm die Daumen, dem Deutsch sprechenden tschechischen Kellner sein Trinkgeld in die Hand und setzen uns wieder in den Camper. Ein kurzes Stück Weg liegt vor uns. Vielleicht 1,5 Stunde Fahrt bis zum Lake Paringa. Vorher noch schön Lachs kaufen auf einer Lachsfarm, auf der die armen Viecher im Kreis schwimmen müssen. Lecker waren sie zugebenermaßen trotzdem ;-)

Am See wagen wir es alle doch. Baden! Das Wasser ist wirklich frisch, die Sandflys auf der Wiese hinterhältig, aber das Wetter noch so schön, dass wir nicht anders können. Wir treffen nette Deutsche, die ein halbes Jahr unterwegs sind, sich dafür einen Camper gekauft haben, der mit allerlei selbst gebastelten Extras ausgestattet ist. Coole Sache. Oskar schließt sofort Freundschaft mit dem 5jährigen Sohn Paul, der sich auch gleich rührend kümmert. Wir treffen auch jene Holländer wieder, die uns am Gillespies Beach aufgefallen sind in ihrem Rallye Dakar Mobil mit den vielen Länderkennzeichen drauf. Man merkt schnell, dass es hier unten nicht viele Straßen gibt. Irgendwie sieht man immer diesselben Menschen! Des Nachts hören wir dann neben unserer lieben Morepork-Eule auch endlich mal wieder einen anderen Vogel. Nicht weit weg ruft ein Kiwi! Mit einem mehr als zufriedenen Grinsen schlafen wir ein...

Laufen an einer Hand. Noch bisschen wacklig!


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